Anna Deichmann

Eine Tyskerjente

Inspiration für die Hauptfigur eines norwegischen Romans

 

Die norwegische Autorin Trude Teige  hat vor ein paar Jahren ein Buch geschrieben, dass sich mit dem Schicksal der Tyskerjentene auseinandersetzt. Bei diesen Recherchen traf sie auch Anna Deichmann, eine der wenigen Tyskerjentene, die noch immer am Leben waren.

 

Da mich Annas Geschichte sehr bewegt hat, möchte ich sie mit euch hier teilen und euch gleichzeitig auf das wunderbare Buch "Mormor danset i regnet" aufmerksam machen, welches in meiner Heimatstadt Demmin spielt.

 

Durch dieses Buch hatte ich auch die Ehre, die wunderbare Trude Teige kennenzulernen.

 

 

Meine Darstellungen basieren dabei auf den bei einem Treffen mit Trude von ihr selbst erzählten Begebenheiten. 


Ragnar Ulstein
Ragnar Ulstein

 

 Ragnar Ulstein

 

Ragnar Ulstein, ist ein norwegischer Journalist und ehemaliger Widerstandskämpfer, der selbst mehrere Kriegsbücher verfasst hat. Durch ihn und seine Empfehlung doch ein Buch über die "Tyskerjentene" zu schreiben, kam Trude Teige auf ein Thema welches sie in zwei ihrer folgenden Bücher einbinden sollte:

 

"Tyskerjentene"- zu deutsch "Deutschenmädchen" meist aber eher als "Deutschenhuren" bezeichnet.

 

Dieses sind die norwegischen Frauen, die zu Kriegszeiten in Norwegen ihre Staatsbürgerschaft verloren und von der Gesellschaft ausgestoßen wurden, weil sie sich in einen deutschen Soldaten verliebt hatten. 

 


Einer ihrer großen Recherchequellen für Trude war damals das Archiv Ragnars im Heimatmuseum der Festung Akershus  in Oslo und die darin befindlichen Tonaufnahmen. Ragnar hatte nämlich nach Kriegsende, in den 1970er Jahren in Deutschland mit norwegischen "Tyskerjenter" und ihren Männern Interviews geführt. Diese waren nie veröffentlicht worden. Niemand hatte bis dahin  Interesse an ihnen gehabt oder sie ausgewertet.

 

Trude recherchierte daraufhin unentwegt und war von der Geschichte dieser Frauen so angetan, dass sie 2012 ihren ersten Roman zu diesem Thema veröffentlichen sollte: den  Krimi „Svik“. 

 

Dieser Roman "Svik" ist auch einer der 3 Krimis von Trude, die iAufbau Verlag  in Deutschland unter dem Titel "Totensommer" erschienen ist. 


 

Anna Deichmann - eine Tyskerjentene

 

Durch ein Radiointerview nach der Veröffentlichung dieses Romans  "Svik" wurde 2012  die damals 89 jährige Anna Deichmann auf Trude und ihr Interesse an den "Tyskerjentene" aufmerksam. Sie trat mit Trude in Kontakt und bat sie um ein Treffen in Nordfjordeid, dem Ort in Sogn og Fjordane in dem sie lebte. Sie wollte Trude über ihre eigene Geschichte erzählen, die eng mit diesem Thema verbunden war. 

 

Trude nahm diese Einladung an und traf sich mit Anna.

 

Diese Anna sollte später eine entscheidende Rolle im Roman "Mormor danset i regnet" spielen .

 

Anna Deichmann stammte ursprünglich aus Vadsø (Finnmark - Norden Norwegens), zog aber nach Süden und wurde als Kellnerin für deutsche Offiziere bei einem Regiment in Storsteinnes im Balsfjord in Troms eingesetzt. Dort traf sie 1943 Alfred, kurz Fred, einen deutschen Soldaten. Kurzum die beiden verliebten sich Hals über Kopf ineinander. Als dann 1945 der Frieden kam, heirateten sie und Anna ging mit ihm nach Deutschland.

 

So zusammengefasst hört sich alles nach einer ganz normalen Liebesgeschichte an.

 

Jedoch steckt viel mehr dahinter.

Die Blücher, wie sie im Drøbaksundet versank
Die Blücher, wie sie im Drøbaksundet versank

 

Die Blücher

 

In der Wohnung in Nordfjordeid hing das Brautbild von Anna und Fred an ihrer Wand. Anna hatte auch die viele Fotoalben mit Bildern aus dem Leben der beiden aufbewahrt.

Sie war eine gute Geschichtenerzählerin, und sprach einen breiten Vadsø-Dialekt, obwohl sie fast siebzig Jahre ihres 89 jährigen Lebens in Hannover gelebt hatte.

 

Nach einer Weile stand sie auf und verschwand im Schlafzimmer. Als sie zurückkam, hielt sie ein Modellschiff in ihren Händen.

 

"Sehen Sie, was das ist?", fragte sie. 

 

"Nun" antwortete Trude, "ein Kriegsschiff? "

 

"Es ist die Blücher", sagte sie und legte ihren Zeigefinger in die Mitte des Schiffes. "Und hier, das ist Fred."

 

Alfred Deichmann war mit der Blücher nach Norwegen gekommen, dem Schiff dass im Drøbaksundet vor Oslo beschossen wurde und dort versank. Es gelang ihm damals, mit letzten Kräften an Land zu schwimmen.

 

Anna sprach aufrichtig über ihren Mann: 

 

"Ich hätte keinen besseren Mann finden können, egal wohin ich reisen würde. Er war der, mit dem ich zusammen sein wollte."

 

Die Rückkehr nach Norwegen

 

Alfred starb in den 70er Jahren in Deutschland. Alfreds und Annas Tochter hatte kurze Zeit später einen Norweger geheiratet und war nach Nordfjordeid gezogen. 

 

Nach dem Tod Alfreds blieb Anna daher zuerst eine Welie allein in Deutschland, beschloss dann aber nach Norwegen zurückzukehren um in der Nähe ihrer Tochter zu ein.

 

Denn Norwegen war in gewisser Weise ja immer noch ihr zu Hause.

 

Sie hatte sich auch immer als Norwegerin betrachtet, obwohl die norwegische Regierung 1945 eine Regelung eingeführt hatte, die dazu führte, dass alle norwegischen Frauen , die wie Anna, deutsche Soldaten geheiratet hatte, ihre norwegische Staatsbürgerschaft verloren.

 

Als Anna Alfred heiratete, war somit ihr norwegischer Reisepass ungültig und sie musste viele Jahre beim Außenministerium eine Einreisegenehmigung beantragen, wenn sie zu ihrer Tochter nach Norwegen reisen wollte.

 

Nicht immer wurde ihr diese Genehmigung auch gegeben.

 

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Hier ein Auszug aus einem Gespräch zwischen Trude Teige und Anna Deichmann:

 

Mit Akribie erzählte die alte Dame, und eine der wenigen  überlebenden "Tyskerjenter" über ihre Vergangenheit in Norwegen und Deutschland, zeigte mir Fotos von ihrem deutschen Ehemann Alfred.

 

Sie berichtete davon wie sie mit Alfred aus Norwegen zwangsausgewiesen wurde und in ein völlig zerstörtes und zerbombtes Deutschland kam.

 

Anna war erst nach fast 70 Jahren in Deutschland wieder nach Norwegen zurückgezogen.

 

Anna schämte sich nicht, weil sie einen deutschen Soldaten geheiratet hatte, denn er war der Mann, den sie liebte. Anna erklärte Trude, dass Alfred mit der "Blücher" nach Norwegen gekommen sei. Und als sie über ihn sprach, konnte Trude die 19-jährige Anna in ihr sehen.

 

"Was für ein Glück für mich, dass er überlebt hat", sagte sie und sah Trude mit einem Lächeln an.

 

Aber es war nicht nur ein Lächeln in ihren Augen als sie Trude den norwegischen Pass zeigte, den sie erst kürzlich wiedererlangt hatte. 

 

Erst dann sah Trude die überwältigende Trauer, Ohnmacht - und auch ein wenig Bitterkeit.

 

"Ich bin jetzt gut genug", sagte sie, bevor sie Trude im nächsten Moment fragte:

 

"Was bedeutet das Wort "Tyskerjente"? Heißt das wirklich Hure? «

 

Trude nickte.

 

"Aber ich bin keine Hure", sagte sie mit fester Stimme. 

  


 

 

 

 

 

Anna wurde  Trudes Inspiration für den Demmin Roman "Mormor danset i regnet" und auch wenn die Figuren im Buch keinesfalls identisch, sondern nur angelehnt an Annas Leben leben sind, so wäre der Roman ohne Anna wohl nie entstanden. 

 

Anna verstarb 3 Monate nach dem Treffen mit Trude.

 

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